Die lustige Witwe
Die lustige Witwe
Die lustige Witwe
Nur wenigen Operetten, die in der Zeit kurz nach der Jahrhundertwende entstanden, war mehr als durchschnittlicher Erfolg beschieden. Fast schien es, als sei die große Zeit der Wiener Operette vorbei. Auch als die >Lustige Witwe< in den letzten Dezembertagen des Jahres 1905 im berühmten Theater an der Wien erstmals über die Bühne ging, mochte kaum jemand an einen Erfolg der Novität glauben. Der Komponist war ein junger Militärkapellmeister, der 1899 nach Wien gekommen war: Franz Lehär (1870-1948). Dieser Lehär, gebürtig aus dem ungarischen Städtchen Komärno, hatte am Prager Konservatorium das Violinspiel studiert und war von Antonin Dvorak angeregt worden, sich dem Komponieren zuzuwenden. Nach kleinen Achtungserfolgen auf dem Konzert- und Operngebiet entdeckte er in der Operette sein eigentliches Tätigkeitsfeld, wo die ersten Versuche noch ganz im Zeichen der klassischen Wiener Tradition standen. Doch damit hatte er seinen musikalischen Stil noch-nicht gefunden.
Das Librettistengespann Victor Leon/Leo Stein stöberte in der Sammlung >Wiener Theater-repertoire< das Lustspiel >Der Gesandtschafts-attache< des Franzosen Henri Meilhac auf, das — 1862 verfaßt - es in Wien immerhin auf 110 Aufführungen brachte. Meilhac war kein Unbekannter, hatte er doch die Textbücher zu so berühmten Werken wie Bizets >Carmen<, Massenets >Manon< und den großen Offenbacherfolgen mitverfaßt und mit seinen Schauspielen die Vorlagen zu >Pariser Leben< und der Wienerischsten aller Operetten, der >Fledermaus<, geliefert. Es war dies nun die Geschichte der reichen Witwe Madeleine; deren Mann in Paris verstorben war. Der Gesandte jenes deutschen Kleinstaates, aus dem ihr Gatte stammte, bemüht sich darum, das nicht unbeträchtliche Vermögen seinem Lande zu erhalten. Beauftragt wird der Attache der Botschaft, ein junger Lebemann, alle Verehrer von der Witwe fernzuhalten. Dies gelingt letztendlich nach allerlei Verwicklungen: der Attache erhält die Witwe nebst Millionen und der Zwergstaat darf das Geld verwalten.
An diesem grundsätzlichen Ablauf der Handlung änderten Leon und Stein wenig, allerdings Details und Dekor, die Drapierung des Ganzen wurde modernisiert. Statt des deutschen Kleinstaates wurde der kleine Balkanstaat Montenegro gewählt, der durch forsches Säbelrasseln im russisch-türkischen Krieg 1877/78 und die seinerzeit skandalumwitterten Eskapaden des Erbprinzen Danilo, dessen Namen auch gleich die Hauptfigur erhielt, allerhand Reden von sich gemacht hatte. Auch sonst waren Leon und Stein nicht zimperlich in der Wahl der Operettenversatzstücke aus der montenegrinischen (Operet-ten)-Realität: Der Gesandtschaftskanzlist erhielt den Namen des Herrscherhauses: Njegus, die Witwe bekam als Familiennamen die landläufige Adelsbezeichnung — Glawari, der Gesandte den ehemaligen Landesnamen — Zeta. Lehär selbst schlug den Namen eines Phantasielandes vor, hinter dem jeder das Gemeinte entdecken mochte: Pontevedro. Dennoch: die montenegrinischen Gesandtschaften brachten geharnischten Protest vor: der wirkliche Danilo aber soll mit seinem Bühnenkonterfei recht zufrieden gewesen sein.
Wie nicht selten gab es vor der Uraufführung keine geringen Bedenken und Schwierigkeiten. Theaterdirektor Karezag vom Theater an der Wien meinte beim Vorspiel des Klavierauszuges-
recht verdrossen: >Dös is' ka Musik!<, und lehnte jede Verantwortungjür die vertraglich vereinbarte Aufführung ab. Leon mußte sich selbst um die Beschaffung der Dekoration bemühen, und die Bühne wurde nur nachts zu Probezwecken freigegeben. Mit Skepsis sah man dem bevorstehenden Ereignis entgegen.
Ein Mißerfolg war es nicht, aber auch nicht das, was sich Lehär erhofft hatte. Die Presse ging flüchtig über das Werk hinweg. Der eigentliche Erfolg der >Lustigen Witwe< ging von den Aufführungen in Berlin und Hamburg aus. Mit Aufführungen in London und Paris eroberte sich die >Lustige Witwe< als >The Merry Widow< und >La veuve joyeuse< die Welt. Man schätzt, daß das Werk bis heute ungefähr eine halbe Million mal gespielt worden ist. Das Jahr 1910 beispielsweise brachte es auf 18.000 Aufführungen in aller Welt. Zwischen Wien und Buenos Aires kannte man mit einem Schlag Melodien wie >lch bin eine anständ'ge Frau<, >Vilja, oh Vilja, mein Waldmägdelein<, >Da geh' ich zu Maxim; da bin ich sehr intirrx und >Ja, das Studium der Weiber ist schwere
Lehär war berühmt. Der Tantiemeerfolg übertraf die kühnsten Erwartungen. Die Kette der großen Lehär-Erfolge, die über Jahrzehnte hinweg aufeinander folgten, war eröffnet. Mit der >Lustigen Witwe< hatte Lehär zu einer neuen, ganz unverwechselbaren musikalischen Ausdrucksform gefunden. Der melodische Einfall dominiert. Gehören die weichen, gleitenden Walzerklänge noch zur Wiener Operette, treten hier erstmals neue, irisierende Orchesterfarben hinzu: slawisch-folkloristische Elemente, französischer Esprit, revüe-hafte Einflüsse, die Lehär locker-federnd assimiliert zu jenem ihm eigenen Kolorit. Vielleicht lag es gerade an der Neuheit des Orchesterklangs, der sich nicht auf die übliche Allerweltsbegleitung beschränkte, sondern durch sorgfältig ausgefeilte Instrumentierung unter Einbeziehung aller Instrumentengruppen bestach, daß das Publikum zunächst verduzt diese Musik ablehnte, um ihr dann später umso begeisterter zuzuhören.
Die Komödie von der >Lustigen Witwe<, deren Millionen den Staatsbankrott verhindern sollen, ist aber auch ein recht heiteres Spiegelbild ihrer Entstehungszeit, wobei der Abstand zum Heute die liebenswürdig-ironische Distanz noch vergrößert. Dem Tanz der Herren ums Goldene Kalb der Erbschaft steht die nüchterne Skepsis in der Einschätzung ihrer Umwelt durch Hanna Glawari gegenüber. Diese dramatisch überaus wirksame Konfrontation ist das Geheimnis der theatralischen Trächtigkeit der Story, die sich mit der Musik zu einer überzeugenden Einheit verbindet. >Gute< Musik von einem >schlechten< Textbuch zu trennen, erweist sich immer als falsch. Lehär nahm stets intensiv auf die Gestaltung seiner Textbücher Einfluß. Bestimmte Grenzen von Lehärs Zeitverständnis, über die Funktion dieses Genres zu seiner Zeit, sind erkennbar, doch der musikalisch-theatralische Instinkt für das Wirksame, Treffende, der Melodienreichtum, die neuartigen Klangkombinationen heben die Musik und mit ihr das Werk heraus aus dem Bereich des zufällig Erfolgreichen, Trivialen und bereiten durch die musikalische Inspiriertheit dem Publikum und dem Hörer unter heute ganz veränderten Umständen Freude und akustisches Vergnügen: Die lebensbejahende Vitalität — das ist es, was Operette geben kann und will. Und das ist schon allerhand.
Ulrich Burkhardt (1982)
Artikelnummer | Amiga 8 45 226 - 8 45 227 |
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Produktname | Die lustige Witwe |
Preis | 14,90 € |
Lieferzeit | Im Schallplattenladen Stralsund |
Interpret | Various Artists |
Name - Titel | Die lustige Witwe |
Label | AMIGA |
Medientyp | LP / Vinyl 12" |
Vinylgewicht pro Schallplatte | 140 gramm |
Anzahl der Platten | 1 |
Beilagen | Keine |
Allgemeiner Plattenzustand | Gebraucht |
Zustand Tonträger | Very Good + (Sehr gut) |
Zustand Cover | Very Good + (Sehr gut) |
Plattenreinigung | Reinigung mit Plattenwaschmaschine Double Matrix Professionel Sonic (Clearaudio) |