Gitte Haenning

Gitte Haenning

Aber Liebe Ist Es Nicht

Etwas Ist Geschehen

Lampenfieber

Wie Himbeeren Auf Eis

Ich Bin Stark

Ein Morgen in Deinem Pyjama

Berührungen

Sonne Und Mond

Oh Nein

Ernsthaft

Jetzt Erst Recht

Aufwärts

Zuversicht

Du Tust Mir So Gut

Geheilt

Du Warst Anders Als Die Andern

Eines Morgens Eines Tages

Gitte Haenning im Scheinwerferlicht - klein, zierlich, wirkt nicht wie Anfang 40. Ein Energiebündel, wenn sie mit ganzer Seele rockt und jazzt, eine variantenreiche Interpretin traurig-trotziger Liebeslieder, die auch ohne viel Show-Mätzchen ihr Publikum zu begeistern versteht. Gitte heute ist nicht mehr »die mit dem Cowboy als Mann", und wenn sie ihn doch hin und wieder bei Live-Konzerten als hommage ans Publikum auf die Bühne holt, dann mit kräftiger, jazziger Stimme, anders als damals. Zwischen dem Cowboy und der starken, alles wollenden Frau liegen über zwei Jahrzehnte, liegt der mühsame Weg von Gitte zu Gitte Haenning, dessen Anfang zumindest sich märchenhaft liest. Es war einmal ein kleines Mädchen in Aarhus, das träumte von einem neuen Fahrrad. Ihr Vater, ein erfolgreicher dänischer Entertainer, versprach der Achtjährigen die Erfüllung ihres Wunsches, wenn sie zusammen mit ihm das Lied „Ich heirate Papi" aufnimmt. Zwar gab es danach kein Fahrrad, dafür wird die kleine pummelige Gitte in Dänemark zum Kinderstar, hat mit zehn Jahren ihr Fernseh- und mit 14 Jahren ihr Kinodebüt mit „Ulla bella". Als Teenager erobert sie sich die Kopenhagener Jazzszene und besingt 18jährig mit Rex Gildo „im Stadtpark die Laternen“. Das in den Klatschspalten gefeierte „Traumpaar" dreht zusammen Musikfilme, Gittes Ruf als Schnulzensängerin scheint festgelegt. Dieses allerdings paßt der kleinen dänischen Frohnatur nicht, die übrigens nie Zeit fand für einen „ordentlichen" Schulabschluß und eine musikalische Ausbildung. Wie später noch öfter in ihrer Laufbahn beginnt sie Ende der sechziger Jahre gegen den Strom im harten Showgeschäft zu schwimmen und neue künstlerische Ausdrucksmöglichkeiten zu finden. Sie versucht sich am Theater, singt in Musicals („The Fantastics" und „Gigi") und ist im dänischen Beitrag zu den Filmfestspielen in Cannes „Die rote Kappe" zu sehen, der international Furore macht. 1968 widmet Gitte sich erneut dem Jazz, doch ihre Platte „My Kind of World -Gitte and The Band" - von Kritikern zwar anerkannt- erweist sich als finanzieller Reinfall. Heute begeistert die kleine Blonde mit der großen Stimme auf Konzerten ihr Publikum mit einigen eindrucksvollen Jazz-Interpretationen, ihrer großen Leidenschaft, wie sie sagt. „Ich habe immer gedacht, daß ich später einmal mit einer Flasche Whisky und einer Zigarette in der Hand auf der Bühne stehen und richtig lossingen würde - wie die Großen, etwa Billie Holiday. Doch die alten Sachen sind schon so toll gemacht Ich könnte nur ein Abklatsch von den Meistern sein, und das möchte ich nicht"
Ein neuer Name, ein neues Gesicht, ein neuer Anspruch -Gitte Haenning. Seit Anfang der achtziger Jahre tritt die in der BRD lebende Sängerin mit vollem Namen auf, gelingt ihr mit einem ziemlich radikalen Imagewechsel der Schritt vom Träller-Blondchen zur überzeugenden Entertainerin. Gefühle von Frauen stehen nunmehr im Mittelpunkt ihrer Lieder, und ihr Exklusiv-Autor Michael Kunze versteht es meisterhaft. Themen wie Liebe, Leid und Leidenschaft in anspruchsvolle, poetische Texte zu fassen. Ihre erste gemeinsame Platte „Bleib noch bis zum Sonntag" (1980 AMIGA 8 55 883 - 1982 veröffentlicht) wird ein voller Erfolg, der sich fortsetzt mit den LP „Ungeschminkt" (1982) und „Berührungen" (1983). Der von Michael Kunze erdachte Typ der selbstbewußten, dynamischen aber auch verletzbaren Frau, die von sich behauptet „Ich will alles-" und „Ich bin stark“ - Gitte Haenning vermag ihn überzeugend auf der Bühne darzustellen. Oder ist sie es selbst?
Das ehemalige Schlager-Sternchen mit dem gut gepflegten Akzent wurde zum Idol vieler Frauen, wenn sie selbstbewußt-emanzipiert von der Kraft des „schwachen" Geschlechts singt. Häufig identifiziert man die Sängerin mit ihren Liedern, insbesondere seit der jüngsten Platte mit dem aufmüpfigen Titel „Jetzt erst recht" (1987). Sie schildert den Neubeginn einer jungen Frau nach einer gescheiterten Liebesbeziehung. Einer Frau, die sich freiwillig von Ihm trennt, den Schmerz um den Verlust lange nicht verwindet und sich schließlich doch aus eigener Kraft aufrappelt und so zu sich selbst findet. „Jeder Baum, sagst du mir, läßt vom Wind sich biegen, weil du siehst, daß ich mich nicht biegen möcht Ohne Flügel, sagst du, soll man nicht mehr fliegen, aber ich sag: jetzt erst recht," heißt es im Titelsong. Wie ganz persönliche Bekenntnisse singt Gitte diese Zeilen, doch von einer Vertonung ihres eigenen Lebens kann nicht die Rede sein, beteuert die Sängerin, die selbst eine Scheidung und mehrere Trennungen durchmachte. Stets hat die Presse, und nicht immer auf seriöse Weise, versucht, hinter die privaten Kulissen des Show-Stars zu schauen. Inzwischen versteht es die Künstlerin, sich selbst außerhalb der Bühne hinter ihrem strahlenden Lächeln freundlich-konsequent zu verbergen und sagt von sich „Das Mädchen Gelsomina aus Fellinis ,La Strada', das die Menschen zum Lachen bringt und manchmal ihr Herz anrührt, das bin ich. Ich bleibe ein Clown." Wer Erfolg hat, möchte ihn nicht unbedingt wieder verlieren. Nun wäre es ein Leichtes, nach bewährtem Muster der letzten Platte weiterzumachen, doch das möchte Gitte nicht. „Das, was ich im Moment tue, ist bei weitem nicht das, was mir vorschwebt", erklärte die Sängerin, die sich im übrigen sehr für Zwölfton-Musik interessiert, die zugibt, den Luxus zu lieben und für die ein Kind eine wundervolle Aufgabe wäre. Eine Frau von 42 Jahren, die noch immer auf der Suche ist -nach künstlerischem Anspruch und persönlichem Glück. Das macht sie sympathisch, und weckt Neugierde auf neue Töne von Gitte Haenning.
Petra Brandt-Haase (1989)